Die pascalsche Wette geht auf den französischen Philosophen und Mathematiker Blaise Pascal (1623-1662) zurück. Die Essenz dieses Argument findet sich in seinem Werk Pensées:
Ihr sagt also, daß wir unfähig sind zu erkennen, ob es einen Gott gibt. Indessen es ist gewiß, daß Gott ist oder daß er nicht ist, es gibt kein Drittes. … [E]s muß gewettet werden, das ist nicht freiwillig, ihr seid einmal im Spiel und nicht wetten, daß Gott ist, heißt wetten, daß er nicht ist. Was wollt ihr also wählen? […] Wir wollen Gewinn und Verlust abwägen, setze du aufs Glauben, wenn du gewinnst, gewinnst du alles, wenn du verlierst, verlierst du nichts. Glaube also, wenn du kannst.
Pascal Blaise, Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände, S. 246 f.
Pascal sieht Gott in Pensées nicht lediglich als Mittel, um der Hölle zu entrinnen. Sein Argument geht weiter. Wenn das Christentum wahr ist und man Christ wird, dann kann man vieles dadurch gewinnen und wenig, was letztendlich von Wichtigkeit ist, verlieren. Dies bedeutet nicht, dass Christen keine Verfolgung erleiden oder weltliche Vergnügungen verlieren können. Es bleibt also wichtig, die Kosten der Nachfolge zu berücksichtigen. Falls man jedoch im Gegensatz dazu den Glauben ablehnt und das Christentum wahr ist, dann verliert man viel und wenig kann gewonnen werden, was von endgültiger Wichtigkeit ist. Eine neutrale, agnostische Haltung gegenüber Gott ist zudem keine Option. Die Entscheidung ist bereits gefällt. Gerade weil es um so viel geht und man automatisch in die eine oder andere Kategorie fällt, ist es nicht im Eigeninteresse gegenüber dem Glauben gleichgültig zu sein.
Nach langer Zeit hat das Argument von Pascal in letzter Zeit vermehrt Beachtung erlangt. Dies nicht zuletzt aufgrund der Publikationen von Liz Jackson, einer Professorin an der Ryerson University in Toronto. Im Folgenden wird eine vereinfachte Version des Arguments dargestellt, die jedoch einen guten Überblick über den Kern der aktuellen Diskussionen gibt.
Mithilfe der Erkenntnisse, die in der Spieltheorie seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewonnen wurden, kann das Argument in die folgende tabellarische Form gebracht werden (siehe Tabelle 1). In der ersten Spalte von Tabelle 1 ist die Bezeichnung der beiden Strategien. Die Spalten zwei und drei geben den Wert an, den man erwarten kann, wenn Gott existiert (Spalte 2) oder wenn er nicht existiert (Spalte 3). Wenn Gott existiert, dann gibt es zwei mögliche Konsequenzen. Wenn man an Gott glaubt und er existiert, dann verbringt man die Ewigkeit in Gemeinschaft mit Gott im Himmel, was unendlich gut ist (daher ∞). Im Fall, dass man nicht an Gott glaubt und er existiert, ist die Konsequenz unendlich schlecht (somit -∞), weil man für ewig von Gott getrennt ist.2 Falls Gott jedoch nicht existiert (Spalte 3), dann ist das Resultat in beiden Szenarien eine endliche Zahl (f).
Strategie | Gott existiert (p) | Gott existiert nicht (1-p) | Erwartungswert (EW) |
---|---|---|---|
Glaube an Gott (G) | ∞ | f | ∞ |
Kein Glaube an Gott (¬G) | -∞ | f | –∞ |
Der Erwartungswert (Spalte 4) ist der durchschnittliche Wert, den man erwarten kann, wenn man entweder an Gott glaubt (G) oder man glaubt nicht an Gott (¬G). Der Erwartungswert kann also unterschiedlich gross sein, je nachdem welche Strategie man wählt. Wenn die Wahrscheinlichkeit, dass Gott existiert, grösser als Null ist (p > 0), dann ergeben sich folgende Erwartungswerte:
EWG= p·∞ + f·(1-p) = ∞
EW¬G= p·-∞ + f·(1-p) = -∞
Dies bedeutet, dass es viel besser ist, an Gott zu glauben, weil das Resultat letztendlich viel höher ausfällt, so lange, dass es zumindest möglich ist, dass Gott existiert.
Zu dieser Form der Darstellung gibt es jedoch nennenswerte Einwände. Der erste Einwand hebt hervor, dass die obige Darstellung nicht mehr als eine Religion berücksichtigt. Es stellt lediglich einen spezifischen Glauben in Kontrast zum Atheismus oder Agnostizismus. Wenn bspw. zwischen dem Islam und dem Christentum unterschieden werden soll, dann müsste in diesem Fall eine zusätzliche Zeile und Spalte hinzugefügt werden. In diesem Fall wird entscheidend, wie gross die Wahrscheinlichkeiten sind, dass der Islam oder das Christentum wahr sind. D.h. man sollte dann dem Glauben folgen, der am wahrscheinlichsten scheint. In jedem Fall impliziert die pascalsche Wette jedoch, dass es irrational ist, agnostisch bzw. atheistisch zu bleiben, solange eine der beiden Glaubensrichtungen zumindest wahr sein könnten.
Zweitens wird eingewendet, dass der Glaube mithilfe der pascalschen Wette nicht einfach erzwungen werden kann. Pascal selbst vertrat jedoch nicht die Sichtweise, dass dieses Argument den Glauben erzwingen soll. Für ihn war es wichtiger, dass Menschen die Wichtigkeit der Thematik sowie der damit verbundenen Konsequenzen erkennen und dass sie zusätzliche Gründe haben, ihr Leben Gott anzuvertrauen.
Fussnoten
- Pixabay, GDJ. ↩︎
- Alternativ kann bspw. der Wert 0 genommen werden, wenn man von der Annihilationstheorie ausgeht. Eine Minderheit der christlichen Gelehrten befürwortet diese Theorie. Sie hat jedoch in den letzten Jahrzehnten zunehmenden Zuspruch erfahren. In jedem Fall beeinflusst diese Anpassung das Resultat lediglich insofern, dass der Erwartungswert von ¬G auf f steigt. Da der Erwartungswert von G jedoch ∞ ist (sofern p>0), bleibt die Strategie an Gott zu glauben, die deutlich bessere Variante. ↩︎
- In Anlehnung an Jackson & Rogers, „Salvaging Pascal’s Wager“, Philosophia Christi 21, no. 1 (2019): 59-84. ↩︎