Einleitung
Vor ca. 2’000 Jahren wurde Jesus von Nazareth gekreuzigt. Die meisten Gelehrten gehen davon aus, dass dies entweder im Jahr 30 oder 33 n. Chr. stattgefunden hat.
In den Evangelien wird beschrieben, dass Jesus aufgrund der Kreuzigung starb. Im Johannes-Evangelium wird es so beschrieben: “Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!“ -und er neigte das Haupt und übergab den Geist (Joh 19:30). Jesus hatte sich noch bei Bewusstsein mit dem Essig den Mund befeuchtet. Er wusste, dass er genug gelitten hatte (“Es ist vollbracht”) und legte sein irdisches Leben ab (vgl. Joh 10:18). Danach wurde sein Brustkorb mit einem Speer durchbohrt.
Ab und zu treten jedoch Historiker auf, die argumentieren, dass Jesus die Kreuzigung überlebt hat. Dies könnte auch als naturalistische Erklärung dafür herangezogen werden, weshalb die Jünger dachten, dass Jesus auferstanden war.
So argumentierte der deutsche Historiker Johannes Fried in seinem Buch Kein Tod auf Golgatha. Auf der Suche nach dem überlebenden Jesus”, dass der römische Soldat die Pleurahöhle (Höhle zwischen Brustwand und Lunge) von Jesus punktierte und dadurch dessen Lunge entlastete, was wiederum die Atemnot gelindert und dadurch das Überleben möglich gemacht hätte. Fried ist sich bewusst, dass er gegen die nahezu einhellige Meinung heutiger Exegeten argumentiert.1
Die Kreuzigung Jesu aus medizinischer Sicht
Die aus medizinischer Sicht plausibelste Erklärung für das, was nach dem Tod geschah, liegt darin, dass die Pleurahöhle (Höhle zwischen Brustwand und Lunge) und die grossen zentralen Gefäße (evtl. auch eine Herzkammer) mit dem Speer eröffnet wurden: “einer der Kriegsknechte durchbohrte mit einem Speer seine Seite, und alsbald kam Blut und Wasser heraus” (Joh 19:34).
Im Verlauf der Kreuzigung wurde das Blut zwar eingedickt (Blutverlust durch Geißelung und Dehydratation durch Schwitzen ohne Flüssigkeitszufuhr), aber aus den zentralen Gefäßen bzw. aus der rechten Herzkammer konnte sich das Blut des kurz vorher zum Stillstand gekommenen Kreislaufs entleeren, vermischt mit klarer Flüssigkeit aus dem Raum zwischen Lungenfell und Brustfell oder aus Herzbeutel. Flüssigkeit, die sich bei der Kreuzigung (meist in kleineren Mengen) angesammelt hatte.
Die Analyse von Johannes Fried beruht zu einem großen Teil auf einer diesem Hergang widersprechenden medizinischen Überlegung, die eher unwahrscheinlich erscheint. Auch er legt dabei ein starkes Gewicht auf die erwähnte Aussage im Johannesevangelium betreffend des Stichs durch den Soldaten in die Seite von Jesus (Joh 19:34). In den biblischen Berichten findet sich allerdings überhaupt kein Hinweis, dass sich der Gekreuzigte Jesus am Rande eines Dämmerzustandes des Bewusstseins bewegte (“CO2 Narkose“), bevor er starb. Er machte am Kreuz hängend sieben klare Aussagen bis zum Gebetsausspruch: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23:46).
Die Kreuzigung Jesu aus historischer und archäologischer Sicht
Zusätzlich zu den medizinischen Überlegungen gibt es auch historische und archäologische Argumente dafür, dass Jesus durch Kreuzigung starb.
Grundsätzlich war die Exekution durch Kreuzigung im ersten Jahrhundert durch die Römer eine gängige Praxis. So schreibt der jüdische Historiker des ersten Jahrhunderts, Flavius Josephus, dass die römischen Soldaten bei dem Fall Jerusalems um 70 n. Chr. eine Vielzahl von Juden gekreuzigt haben.3
Ergänzend dazu belegen archäologische Funde, dass die Kreuzigung im ersten Jahrhundert n. Chr. in Israel praktiziert wurde. 1968 wurden mehrere Ossuarien (Gefäss zur Aufbewahrung von Knochen) bei Giv’at ha-Mivtar gefunden. Unter den Überresten fand man zwei Knochen, die von einem langen eisernen Nagel durchbohrt; die zwei Calcanei (Fersenbeine) des Gekreuzigten, die an den vertikalen Stamm des Kreuzes genagelt waren. Zudem liess der untersuchte Fund den Forscher Nicu Haas folgern, dass das Schienbein des Opfers bewusst gebrochen und dadurch der Tod durch Kreuzigung herbeigeführt worden ist.4 Diese Überreste wurden in die späten 20er Jahre n. Chr. datiert, somit genau in der Zeit, als Pontius Pilatus in Judäa regierte.
Nebst den vier Evangelien bestätigen mehrere weitere Quellen, dass Jesus durch Kreuzigung starb. Die restlichen Quellen können in christliche und nicht-christliche Quellen unterteilt werden. Nachfolgend beschränken wir uns auf einige nicht-christliche Quellen.
Mara Bar-Serapion schreibt in einem Brief an seinen Sohn (nach 73 n. Chr.), “Welchen Vorteil gewannen die Athener, indem sie Sokrates ermordeten?“ … Oder “die Juden durch den Tod des weisen Königs, weil danach ihr Königreich weggenommen wurde?”5 Der römische Historiker Tacitus (ca. 56-120 n. Chr.) erwähnt, “Christus… erlitt die Todesstrafe unter der Regierung von Tiberius…”6 Auch Flavius Josephus hält fest, dass „Pilatus… ihn [Jesus] zum Tod verurteilte, [und] diejenigen, die ihn davor liebten, gaben ihre Zuneigung für ihn nicht auf.”7
Schlussfolgerung
Insgesamt deuten die medizinischen, historischen und archäologischen Belege darauf hin, dass Jesus durch die Kreuzigung starb. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass selbst der kritische Forscher John D. Crossan zum Schluss kommt, “dass er [Jesus] gekreuzigt wurde, ist so sicher, wie etwas historisches überhaupt belegt sein kann.” Die daraus folgende und entscheidende Frage ist, starb er für dich? (vgl. Joh 3:16)
Fussnoten
- Johannes Fried, Kein Tod auf Golgatha, München: C. H. Beck, 3. Auflage, 2019, S. 17. ↩︎
- Pixabay, Briam-Cute. ↩︎
- Josephus, Jüdischer Krieg 5.451. ↩︎
- Nicu Haas, “Anthropological Observations on the Skeletal Remains from Giv’at Ha-Mivtar,” Israel Exploration Journal 20, no. 1/2 (1970): 42. ↩︎
- Theissen und Merz denken, dass der Begriff “weiser König” auf christliche Quellen zurückgeht, weil die königliche Bezeichnung eine wichtige Rolle in Mt 2:1ff sowie den Passionsberichten spielt, Gerd Theißen and Annette Merz, Der historische Jesus: Ein Lehrbuch, 4th ed. (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2011), 85. ↩︎
- Tacitus, Annalen 15.44. ↩︎
- Josephus, Jüdische Altertümer 18.63/64. ↩︎