Worin besteht das Problem des Bösen?

In diesem Artikel wird untersucht, ob die Existenz von Bösem in dieser Welt vereinbart werden kann mit Gottes Existenz. Dabei liegt der Fokus auf dem philosophischen Problem des Bösen.

Das „Problem des Bösen“ kann unterteilt werden in ein religiöses und philosophisches Problem. Das religiöse Problem, manchmal auch als emotionales Problem bezeichnet, bezieht sich auf die emotionale Bedrängnis, die man in Zeiten der Not erleidet. Es bezieht sich auch auf Aspekte des Umgangs mit Emotionen wie Wut und Frustration, die man in solchen Zeiten gegenüber Gott empfinden kann und wie man damit umgeht.1 Das philosophische Problem des Bösen anderseits befasst sich mit der Frage, ob und inwiefern es möglich ist, dass Gott und das Böse gleichzeitig existieren können.2 Offensichtlich gäbe es kein logisches Problem, solange man verneint, dass entweder Gott oder das Böse existiert. Atheisten glauben nicht an die Existenz Gottes, wohingegen bspw. der Zenbuddhismus die Vorstellung ablehnt, dass das Böse existiert.3 Wenn man allerdings zustimmt, dass sowohl Gott als auch das Böse existieren, dann tritt das logische Problem des Bösen auf.

Abb. 1 – Leid und Trauer.4

Grundsätzlich gibt es zwei Versionen des philosophischen Problems des Bösen. Das logische Problem tritt auf, wenn die folgenden drei Aussagen im Zusammenhang untersucht werden: (1) Gott ist allgütig, (2) Gott ist allmächtig, und (3) das Böse existiert. In anderen Worten, dieses Problem dreht sich um die logische Konsistenz dieser drei Aussagen. Schon David Hume stellte sich die Frage, weshalb das Böse existiert, wo doch Gott einerseits willig ist, das Böse zu eliminieren und anderseits auch fähig ist, dies zu tun.5

Beim Beantworten dieses Problems kommt es u.a. darauf an, ob Gott einen moralisch hinreichenden Grund haben könnte, das Böse (noch) nicht zu eliminieren. Alvin Plantinga hat dies in seiner „Free Will Defense“ gezeigt.6 Ein moralisch hinreichender Grund liegt vor, da ein besonderer Wert darin liegt, wenn Geschöpfe aufgrund eines freien Willens selbst entscheiden können, ob sie gut oder schlecht handeln. Anders als bei Robotern ermöglicht dies eine echte Beziehung und Liebe zwischen Gott und seinen Geschöpfen, mit dem Risiko, dass einzelne Menschen eine solche Beziehung leider ablehnen.

Die evidentielle Version des Problems des Bösen besagt, dass diese Welt weniger Böses aufweisen sollte, wenn sie durch Gott geschaffen ist. D.h. weil es soviel Böses in dieser Welt gibt, scheint es unwahrscheinlich, dass Gott existiert. Da dies ein induktives Argument ist, spielen Wahrscheinlichkeiten eine sehr grosse Rolle.7 Rowe zum Beispiel behauptet, dass Gott sinnlose Leiden verhindern würde. Daraus folgert er, dass das Mass an scheinbar sinnlosen Leiden (z.B. wenn ein Rehkitz einen langsamen, qualvollen Tod aufgrund eines Waldbrandes erleidet) Belege gegen die Existenz Gottes sind.8 Argumente dieser Form bedienen sich sowohl moralischen (wie Raub, Diebstahl, Mord, etc.), als auch natürlichen Übeln (z.B. Krankheiten, Wirbelstürme, Unfälle, usw.).

Die Schwierigkeit dieser Art von Argumenten liegt darin, mit unserem limitierten Wissen zu beurteilen, ob es effektiv solche sinnlosen Leiden gibt. So argumentiert bspw. Wykstra mithilfe des Prinzips CORNEA („Condition of Reasonable Epistemic Access“), dass wir nicht in einer geeigneten Position sind, zu behaupten, dass ein gewisses Leiden sinnlos ist. Dies liegt daran, dass wir nicht wissen können, inwiefern die Situation erkennbar anders wäre, wenn das Leiden nicht aufgetreten wäre.9

Ein Beispiel zur Illustration. Wenn wir in den Kühlschrank schauen, sind wir berechtigt zu behaupten, dass dort kein Joghurt drin ist. Schliesslich wissen wir, wie es aussehen würde, wenn ein Joghurt drin ist. Wir können es ganz einfach sehen, wenn wir den Kühlschrank aufmachen. Im Gegensatz dazu wären wir gemäss diesem Prinzip nach einem kurzen Blick in den Kühlschrank nicht berechtigt zu behaupten, dass dort keine Kolibakterien drin sind. Ein normaler Mensch erkennt mit blossem Auge nicht, ob und wie viele Bakterien sich in einem Kühlschrank befinden. Es ist somit nicht direkt erkennbar, inwiefern es im Kühlschrank anders aussehen würde, wenn Kolibakterien drin wären.

Letzten Endes klingt die Antwort auf die evidenzielle Version des Problems des Bösen banal: Wir Menschen sind in unserem Wissen limitiert. Deswegen sind wir zu einem gewissen Grad mit Leiden konfrontiert, von denen wir nicht direkt wissen, wozu sie gut sind. Wir sollten daraus aber nicht schliessen, dass diese Leiden sinnlos sind. Ein Christ lernt im Verlauf des Lebens mehr und mehr darauf zu vertrauen, dass Gott weise und gut ist.

Fussnoten

  1. J. P. Moreland and William Lane Craig, Philosophical Foundations for a Christian Worldview (Downers Grove: IVP Academic), 2003, 536, Kindle. ↩︎
  2. J. P. Moreland and William Lane Craig, Philosophical Foundations for a Christian Worldview (Downers Grove: IVP Academic), 2003, 536, Kindle. ↩︎
  3. Douglas Groothuis, Christian Apologetics (Nottinghamshire: InterVarsity Press, 2012), 620, Kindle. ↩︎
  4. Pexels, Kat Jayne. ↩︎
  5. David Hume, “Dialogues Concerning Natural Religion,” in The Empiricists (Garden City, NY: Doubleday, 1974), 490. ↩︎
  6. Alvin Plantinga, God, Freedom and Evil (1974). ↩︎
  7. John S. Feinberg, The Many Faces of Evil, rev. ed. (Wheaton: Crossway Books, 2004), 24. ↩︎
  8. Marilyn M. Adams and Robert M. Adams, The Problem of Evil (Oxford: Oxford University Press, 1990), 16-17. ↩︎
  9. Stephen J. Wykstra, “The Humean Obstacle to Evidential Arguments from Suffering: On Avoiding the Evils of ‘Appearance,’” in The Problem of Evil, ed. Marilyn McCord Adams and Robert Merrihew Adams (Oxford, NY: Oxford University Press, 1990), 151-152. ↩︎